Bild: Bei der Galaxie
NGC 891 beobachten die Astronomen den Licht-schluckenden Effekt des
Staubs besonders deutlich. C. Howk (JHU), B. Savage (U. Wisconsin), N.
A. Sharp (NOAO/WIYN/NOAO/NSF).
Wer in einer klaren Nacht zum Himmel aufblickt, sieht Tausende von funkelnden Fusionsreaktoren: die Sterne. Doch auf der Erde
nehmen wir nur etwa die Hälfte des Sternenlichts wahr, das im heutigen
Universum erzeugt wird. Die andere Hälfte wird von Staubkörnchen
verschluckt, die zwischen den Sternen im Weltraum schweben. Astronomen
korrigieren nun mit einem neuen Modell der Staubverteilung diese
Absorption - mit Konsequenzen für unser Bild von Geburt und Entwicklung
der Sternsysteme.
aba.
Galaxien bestehen aus Milliarden Sternen, die durch die Schwerkraft
aneinander gebunden sind. Auch unsere Sonne ist einer von etwa 200
Milliarden Sternen innerhalb eines Systems namens Milchstraße. Unter den
Sternen gibt es kaum Einzelgänger, fast alle stecken sie in Galaxien.
Will man den Energieausstoß im Universum bestimmen, muss man also die
Strahlung der Galaxien untersuchen, einzelne Sterne lassen sich
angesichts der "astronomischen" Entfernungen ohnehin kaum beobachten.
Nun enthalten Galaxien aber nicht nur Sterne, sondern auch Gas und
Staub. Vor allem der Staub verschluckt einen Teil der Sternstrahlung,
ähnlich wie etwa Rauch in unserer Atmosphäre die Sonnenstrahlung
schwächt. Da keine Energie verloren gehen kann, erwärmen sich die
interstellaren Staubkörnchen so weit, bis die von ihnen selbst
abgegebene Wärmestrahlung im Gleichgewicht mit der aufgenommenen
Strahlung steht.
Galaxien werden abgestaubt
Wie aber sind die Staubteilchen innerhalb von Galaxien verteilt? Dazu
erarbeiteten Cristina Popescu von der University of Central Lancashire
in Großbritannien und Richard Tuffs vom Heidelberger Max-Planck-Institut
für Kernphysik ein Modell. Es beschreibt die Häufigkeit des Staubs in
den einzelnen "Bausteinen" einer Galaxie, also im Kern und in der
Scheibe, sowie dessen Einfluss auf die Strahlung aus diesen Bereichen.
Außerdem berücksichtigen die Rechnungen den Einfluss des Winkels, unter
dem eine Galaxie von der Erde aus erscheint. Denn während wir manche
Sternsysteme von der Kante sehen, blicken wir bei anderen senkrecht auf
die Scheibe.
Die Wissenschaftler prüften ihr Modell an 10.000 näher gelegenen
Galaxien. "Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass interstellare
Staubkörnchen einen erheblichen Effekt auf Messungen des
Energieausstoßes selbst nahe gelegener Galaxien zeitigen", sagt Richard
Tuffs.
Die Forscher haben damit ein seit langem ungeklärtes Paradox gelöst: Die
Energie aus der Wärmestrahlung des Staubs schien bisweilen den gesamten
Energieausstoß der Sterne zu übersteigen. "Sie können aber nicht mehr
Energie herausbekommen, als Sie hineinstecken. Somit wussten wir, dass
da etwas gehörig nicht stimmte", sagt Teamleiter Simon Driver von der
britischen University of St. Andrews. In Wirklichkeit geht eben
wesentlich mehr Energie der Sterne "in Staub auf" als bisher vermutet:
Die Energiebilanz des Universums erweist sich nunmehr als ausgeglichen.
Mehr Masse im Kern
"Die größten Auswirkungen haben unsere Ergebnisse auf die Messungen der
zentralen Regionen von Galaxien, in denen sich supermassive schwarze
Löcher verbergen", sagt Alister Graham von der australischen Swinburne
University of Technology. Denn die Galaxienkerne strahlen in Wahrheit
bis zu fünfmal heller als beobachtet. Das bedeutet: Nach dem Modell von
Popescu und Tuffs muss entsprechend mehr Sternmasse in den Kernen
verborgen sein. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für unser Bild von
Entstehung und Entwicklung der Sternsysteme.
Der Originalartikel erschien am 10. Mai 2008 im "The Astrophysical Journal".
(Max-Planck-Gesellschaft), 16.05.2008