Galaxien entstaubt |
Hälfte des Sternenlichts geht verloren |
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Die Hälfte allen Sternenlichts, das im Universum entsteht, wird
direkt wieder verschluckt, von Staub und Gaswolken in den Galaxien. Ein
neues, in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ veröffentlichtes
Modell zeigt nun genau, wo und in welchem Maße die Strahlungsenergie
„in Staub aufgeht“ berechnen - mit Konsequenzen für unser Bild von
Geburt und Entwicklung der Sternsysteme.
 | | Die Seitenansicht enthüllt den Staubschleier um die Galaxie. © C. Howk (JHU), B. Savage (U. Wisconsin), N. A. Sharp (NOAO)/ WIYN/ NOAO/ NSF  | Wer
in einer klaren Nacht zum Himmel aufblickt, sieht Tausende von
funkelnden Fusionsreaktoren: die Sterne. Auf das Universum
hochgerechnet, erzeugen diese Gasbälle eine unvorstellbare Energie. In
einem Würfel von lediglich einem Lichtjahr Kantenlänge sind das jährlich
40 Billiarden Kilowattstunden - etwa 300-mal soviel, wie die Menschheit
im selben Zeitraum verbraucht. Doch auf der Erde nehmen wir nur etwa
die Hälfte des Sternenlichts wahr, das im heutigen Universum erzeugt
wird. Die andere Hälfte wird von Staubkörnchen verschluckt, die zwischen
den Sternen im Weltraum schweben.
Galaxien bestehen aus Milliarden Sternen, die durch die Schwerkraft
aneinander gebunden sind. Auch unsere Sonne ist einer von etwa 200
Milliarden Sternen innerhalb eines Systems namens Milchstraße, das einem
gigantischen Feuerrad gleicht. Unter den Sternen gibt es kaum
Einzelgänger, fast alle stecken sie in Galaxien. Will man den
Energieausstoß im Universum bestimmen, muss man also die Strahlung der
Galaxien untersuchen, einzelne Sterne lassen sich angesichts der
"astronomischen" Entfernungen ohnehin kaum beobachten.
Wie Rauch in der Atmosphäre
Nun enthalten Galaxien aber nicht nur Sterne, sondern auch Gas und
Staub. Vor allem der Staub verschluckt einen Teil der Sternstrahlung,
ähnlich wie etwa Rauch in unserer Atmosphäre die Sonnenstrahlung
schwächt. Da keine Energie verloren gehen kann, erwärmen sich die
interstellaren Staubkörnchen so weit, bis die von ihnen selbst
abgegebene Wärmestrahlung im Gleichgewicht mit der aufgenommenen
Strahlung steht. Dieses Strahlungsgleichgewicht gilt im Übrigen nicht
nur für Staub zwischen den Sternen, sondern auch für jeden
Himmelskörper. Auf der Erde etwa bestimmt es im Zusammenspiel mit dem
atmosphärischen Treibhauseffekt die globale Temperatur.
Wie aber sind die Staubteilchen innerhalb von Galaxien verteilt? Dazu
erarbeiteten Cristina Popescu von der University of Central Lancashire
in Großbritannien und Richard Tuffs vom Heidelberger Max-Planck-Institut
für Kernphysik ein Modell. Es beschreibt die Häufigkeit des Staubs in
den einzelnen "Bausteinen" einer Galaxie, also im Kern und in der
Scheibe, sowie dessen Einfluss auf die Strahlung aus diesen Bereichen.
Außerdem berücksichtigen die Rechnungen den Einfluss des Winkels, unter
dem eine Galaxie von der Erde aus erscheint. Denn während wir manche
Sternsysteme von der Kante sehen, blicken wir bei anderen senkrecht auf
die Scheibe.
Um das Modell an der Natur zu testen, berechneten die Wissenschaftler
die Energiedifferenz zwischen der tatsächlich gemessenen und der nach
ihrem Modell korrigierten Strahlung der Sterne innerhalb von mehr als
10.000 näher gelegenen Galaxien. In der Tat entsprach diese Differenz
genau jener Energie, die der erwärmte Staub in Form längerwelliger
Strahlung aussendet.
Energie geht „in Staub auf“
"Die Gleichung ging perfekt auf und so verstehen wir jetzt den
Energieausstoß der Galaxien und damit des Universums über einen großen
Wellenlängenbereich", erklärt Popescu. Und Tuffs ergänzt: "Die
Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass interstellare Staubkörnchen einen
erheblichen Effekt auf unsere Messungen des Energieausstoßes selbst nahe
gelegener Galaxien zeitigen." So hat das Modell die Feuerprobe
bestanden und erlaubt es den Astronomen, exakt zu berechnen, wie hoch
der Anteil des vom Staub abgeblockten Sternlichts ist.
Die Forscher haben damit ein seit langem ungeklärtes Paradox gelöst: Die
Energie aus der Wärmestrahlung des Staubs schien bisweilen den gesamten
Energieausstoß der Sterne zu übersteigen. "Sie können aber nicht mehr
Energie herausbekommen, als Sie hineinstecken. Somit wussten wir, dass
da etwas gehörig nicht stimmte", sagt Teamleiter Simon Driver von der
britischen University of St. Andrews. In Wirklichkeit geht eben
wesentlich mehr Energie der Sterne "in Staub auf" als bisher vermutet:
Die Energiebilanz des Universums erweist sich nunmehr als ausgeglichen.
Mehr Masse im Kern
"Die größten Auswirkungen haben unsere Ergebnisse auf die Messungen der
zentralen Regionen von Galaxien, in denen sich supermassive schwarze
Löcher verbergen", sagt Alister Graham von der australischen Swinburne
University of Technology. Denn die Galaxienkerne strahlen in Wahrheit
bis zu fünfmal heller als beobachtet. Das bedeutet: Nach dem Modell von
Popescu und Tuffs muss entsprechend mehr Sternmasse in den Kernen
verborgen sein. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für unser Bild von
Entstehung und Entwicklung der Sternsysteme.
In naher Zukunft wollen sich die Forscher vor allem einzelnen Galaxien
widmen und dabei zwei neue Instrumente einsetzen, die demnächst in
Betrieb gehen: Das VISTA-Teleskop in Chile und den Infrarotsatelliten
Herschel, der Ende Juli starten soll: "VISTA erlaubt uns, geradewegs
durch den Staub zu blicken, während Herschel direkt die Staubstrahlung
nachweisen wird", erläutert Jochen Liske von der Europäischen
Südsternwarte.
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(MPG, 16.05.2008 - NPO) |
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